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CO2-Emissionen als Entscheidungsperspektive: Wie ein interner CO2-Preis und Insetting echten Mehrwert schafft

Florian Sommer
23.07.2025
capgemini-invent

Die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie und das Setzen von Emissionsreduktionszielen sind für viele Unternehmen nichts Neues. Dennoch haben zahlreiche Unternehmen Schwierigkeiten bei der Operationalisierung ihrer Strategie. Besonders im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld und angesichts des steigenden Kostendrucks ist es herausfordernd geworden, in die notwendige nachhaltige Transformation zu investieren.

Ein interner CO₂-Preis (Internal Carbon Price, ICP) kann eine Lösung sein, um den Wert von Investitionen in Nachhaltigkeit und Klimaschutz sichtbar zu machen, Unternehmen aktiv zu steuern und Einsparpotenziale zu realisieren. In Kombination mit einem Insetting-Fond kann ein ICP nicht nur Verhaltensänderungen fördern, sondern auch gezielt Kapital für Nachhaltigkeitsinitiativen generieren – und so das Finanzmanagement mit Dekarbonisierungszielen in Einklang bringen.

Ein ICP in Verbindung mit einem Insetting-Fond bietet zahlreiche Vorteile:

  1. Ausrichtung auf Net-Zero-Ziele
  2. Bessere Investitions- und Einkaufsentscheidungen
  3. Stärkere Lieferantenbindung und Resilienz
  4. Innovationsförderung und Wettbewerbsvorteile
  5. Risikomanagement durch CO₂e-Transparenz
  6. Kultureller Wandel & internes Bewusstsein
  7. Zweckgebundene Finanzierung von Dekarbonisierung
  8. Verbesserte ESG-Performance und regulatorische Konformität

Welche ICP-Methoden gibt es?

Ein ICP bewertet unternehmensinterne Emissionen finanziell und macht so Klimakosten sichtbar. Übliche Preishöhen orientieren sich am EU-Emissionshandel (2024: Ø 65 €/tCO₂e) (Statista, 2025). Er kann in vier Formen umgesetzt werden, die sich im Steuerungspotenzial und Umsetzungsaufwand unterscheiden:

Schattenpreis (Shadow Price): Ein hypothetischer Preis pro Tonne CO₂e, der in Entscheidungen berücksichtigt wird, ohne dass Geld fließt. Dies wird typischerweise bei der Bewertung von Investitionen, Strategien oder M&A-Projekten eingesetzt. Er dient als Bewertungsmaßstab zur Absicherung gegen künftige CO₂e-Kostenrisiken (z. B. durch den EU-ETS oder CBAM) und verhindert Lock-in-Effekte. Der Schattenpreis hilft somit, Entscheidungen „zukunftssicher“ zu machen, indem er das implizite Risiko emissionsintensiver gegenüber emissionsarmer Alternativen aufzeigt.

Interne CO₂-Gebühr (Internal Carbon Fee): Das Unternehmen legt einen internen Preis pro Tonne CO₂e fest, und die Abteilungen müssen diesen Betrag entsprechend ihren Emissionen in einen zentralen Fonds einzahlen. Die gesammelten Mittel werden typischerweise für Emissionsminderungsprojekte oder einen sogenannten „Insetting Fond“ verwendet. Diese Mittel fließen anschließend in Dekarbonisierungsprojekte. So entsteht ein geschlossener Steuerungskreislauf: Emissionen verursachen Kosten, Einsparungen schaffen finanziellen Spielraum.

Internes Cap-and-Trade: Eine weniger verbreitete, aber innovative Methode, bei der ein Unternehmen eine interne Emissionsobergrenze festlegt und Emissionszertifikate an seine Geschäftsbereiche verteilt, die diese untereinander handeln können. Abteilungen, die Emissionen kostengünstig senken können, tun dies und verkaufen überschüssige Zertifikate; andere mit höheren Reduktionskosten kaufen diese. Obwohl die Einrichtung komplex ist, simuliert dieses System einen externen Emissionshandel auf Unternehmensebene. 

Impliziter CO₂-Preis: Ein indirekter Preis, den ein Unternehmen aus seinen Ausgaben für Emissionsminderungen berechnen kann. Es handelt sich um die effektiven Kosten pro Tonne CO₂e, die durch bereits umgesetzte Maßnahmen entstehen. Beispiel: Gibt ein Hersteller 10 Mio. € für den Bau einer Solaranlage aus, die spart angenommen 5.000 tCO₂e jährlich über 20 Jahre ein, beträgt der implizite CO₂-Preis 100 €/tCO₂e. Diese Methode zeigt, welchen Preis das Unternehmen effektiv pro vermiedener Tonne CO₂e gezahlt hat.

Was ist ein Insetting-Fond?

Ein Insetting-Fond bündelt gezielt Mittel für Dekarbonisierungsmaßnahmen innerhalb der eigenen Wertschöpfungskette. Im Gegensatz zum Offsetting verbleiben die Emissionsreduktionen im eigenen Ökosystem und zahlen auf unternehmensinterne Klimaziele ein. Die Struktur ist flexibel: als festes Jahresbudget, oder ein projektbasiertes Auswahlverfahren mit dem ICP als Entscheidungskriterium. Die Nutzung des Insetting-Fonds unterscheidet sich maßgeblich hinsichtlich der Industrie.

Praxisbeispiele für ICP und Insetting

  • Unilever: Seit 2021 nutzt Unilever einen Schattenpreis für alle Kapitalinvestitionen über 1 Mio. € – das betrifft rund 80 % der Investitionsentscheidungen (Unilever, 2022), laut aktuellem Climate Transition Plan wird 70 €/tCO2e genutzt. Zusätzlich hat die Marke Ben & Jerry’s einen eigenen ICP eingeführt, der auf den gesamten Produktlebenszyklus angewendet wird. Die Einnahmen fließen in klimawirksame Projekte in der Lieferkette.
  • Bayer: Die Bayer AG hat einen internen CO₂-Preis (ICP) von 100 €/tCO₂e für die Bewertung von Investitionsentscheidungen eingeführt (Bayer, 2025). Dieser hohe Preis wird als Schattenpreis in dem Net Present Value für Investitionsprojekte verwendet. Bayer hat diesen Wert durch die Analyse von Grenzvermeidungskostenkurven (Marginal Abatement Cost Curves) ermittelt. Darüber hinaus engagiert sich Bayer gemeinsam mit anderen Vorreitern wie Haleon in der Sustainable Procurement Pledge Initiative, um Grundsätze für CO₂-Bepreisung mitzugestalten (Sustainable Procurement Pledge, o.D.).
  • Haleon: Das Unternehmen integriert seit 2024 einen Schattenpreis in Investitionsentscheidungen (Haleon, 2024). Zusätzlich wird der ICP als Entscheidungskriterium im Ausschreibungs- und Lieferantenauswahlprozess genutzt (Haleon, 2025). Dieser Mechanismus fördert die Dekarbonisierung der Lieferkette, da es Lieferanten animiert Emissionen zu reduzieren, um kompetitiv zu bleiben.

Implementierungsleitfaden

Die Einführung eines ICP und eines Insetting-Fonds kann entlang der folgenden fünf Schritte durchgeführt werden.

Abbildung 1: Implementierungsleitfaden

Fazit

Ein ICP und ein Insetting-Fond sind wirkungsvolle Hebel, um Klimaschutz in operative und finanzielle Entscheidungen zu integrieren. Der ICP macht Emissionen sichtbar und steuerbar, der Fond setzt gezielt Mittel für wirksame Projekte ein. Gemeinsam stärken sie Innovationskraft, ESG-Performance und wirtschaftliche Resilienz. Unternehmen, die diese Instrumente jetzt einführen, gestalten aktiv ihre Transformation – und sichern sich Glaubwürdigkeit bei Kund*innen, Investor*innen und Mitarbeitenden. Jetzt ist es an der Zeit zu handeln – die Einführung dieser Mechanismen ist nicht nur ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeit, sondern ein strategischer Vorteil in einer CO2-armen Wirtschaft.


  • Statista. (2025, 10 Juli). Annual average price of European Union Emission Trading System (EU ETS) allowances from 2020 to 2024. https://www.statista.com/statistics/1465687/average-annual-eu-ets-allowance-prices/
  • Unilever. (2022, 01 August). Welcome to your CDP Climate Change Questionnaire 2022. https://www.unilever.com/files/3ec447d8-6e68-4b94-8da0-016dc91507ad/cdp-climate-2022.pdf
  • Unilever. (2024). Climate Transition Action Plan. https://www.unilever.com/files/ctap.pdf
  • Ben & Jerry’s. (2015, 3 Dezember). Ben & Jerry’s Puts a Price on its Carbon. https://www.benjerry.com/values/issues-we-care-about/climate-justice/internal-carbon-tax
  • Bayer. (2025, 19 Juni). Bayer’s Climate Commitment: Net Zero by 2050. https://www.bayer.com/en/sustainability/climate-commitment-net-zero-2050
  • Sustainable Procurement Pledge. (o.D). About. https://spp.earth/initiative/carbon-pricing-for-procurement/#:~:text=The%20Carbon%20Pricing%20for%20Procurement,insights%20and%20co%2Dcreate%20solutions.
  • Haleon. (2024, 6 March). Climate Action Transition Plan. https://www.haleon.com/content/dam/haleon/corporate/images/2023-updates/Haleon-CATP-2023.pdf
  • Haleon. (2025, 20 März). Strategic Report. https://www.haleon.com/content/dam/haleon/corporate/documents/investors/oar-2024/haleon-annual-report-2024-strategic-report.pdf.downloadasset.pdf

Unser Experte

Florian Sommer

Director | Head of Decarbonization Germany, Capgemini Invent
Florian Sommer leitet das Team für nachhaltige Wertschöpfungsketten bei Capgemini Invent und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung in der Unternehmensberatung. In den letzten fünf Jahren unterstützte er Unternehmen dabei, ihre Wertschöpfungsketten zu dekarbonisieren, ESG-bezogene Regulatorik in der Lieferkette einzuhalten und Strategien für die Kreislaufwirtschaft umzusetzen.

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